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Wernborner Krimi

Das Geheimnis der Sechshäusergass



Ein Dorf am Nordrand des Taunus. Das Leben ist beschaulich, von Kriminalität liest man dort höchstens in der Zeitung. Man kennt sich, man trifft sich in den Vereinen, bei Festen und in der einzigen Dorfkneipe. Ein ganz normales Dorf – sollte man meinen.


Plötzlich taucht ein Fremder auf und nach und nach enthüllt sich eine schier unglaubliche Geschichte rund um eine international agierende Müllmafia. Die Fäden zieht ein Dorfbewohner, den alle für einen alkoholkranken Gelegenheitsarbeiter halten.

Der Wernborner Krimi „Das Geheimnis der Sechshäusergass“
ISBN: 978-3-00-052000-6
Taschenbuch, Gebundene Ausgabe, € 8,00
Bestellung per Email: kontakt@825-jahre-wernborn.de

Das Buch ist im Buchhandel, Bürgerbüro Usingen, Merget Schreibwaren - Am Riedborn 26 - 61250 Usingen und in der Wernborner Gaststätte „Usa-Klause“ oder direkt beim Verein erhältlich.

Leseprobe

Die Kirchturmuhr schlug drei Mal. Sonst war es totenstill im Dorf. Ein fahler Halbmond vermochte kaum die Dunkelheit zu durchdringen, einzig die Straßenlampen verbreiteten gerade genug Licht, um das Nötigste zu sehen. Von der Straßenkreuzung an der Kirche her schlich ein schwarzer Schatten die Lindenstraße hinauf und verschwand im Dunkel eines Hofes, der zu einem Haus auf der rechten Seite gehörte. Ein leises, metallenes Geräusch war zu hören, dann war es wieder still. Nur ein schlafloser Spaziergänger hätte möglicherweise das umherwandernde Licht einer Taschenlampe hinter dem vor Schmutz blinden Kellerfenster gesehen. 

            Luciano Barbileone lehnte sich zurück und rieb sich müde die Augen. Er befand sich in seinem geheimen Keller. Auf den vor ihm stehenden Monitor hatte er das Bild der Kirchturm-Kamera aufgeschaltet und konnte so die Lindenstraße von der Kreuzung bis hinauf zur Linkskurve beobachten, hinter der die Straße verschwand. Ein Restlichtverstärker machte es möglich, trotz der Dunkelheit genug zu erkennen. Zur Sicherheit hatte Luciano zusätzlich das Infrarot-Bild eingeschaltet. Auf diesem Bild war so gut wie nichts zu erkennen, lediglich die Wärme der Straßenlaternen hinterließ hellleuchtende Flecken. Luciano wusste aber, dass, sobald sich ein lebendes Wesen im Erfassungsbereich der Kamera bewegen würde, er dieses sofort als weiße Gestalt sehen würde.

            Er hatte beobachtet, wie Stefan Klein im Hof verschwand und stellte sich vor, wie dieser nun den Kellerraum nach dem verschwundenen Bauplan durchsuchte. Im Moment konnte er nichts weiter tun, als zu warten. Er wusste, dass Sandro Borelli und Luca Capetti, nachdem sie die Versammlung der Obst- und Gartenbauer verlassen hatten, zu ihrer Wohnung gefahren waren. Sie hatten sich von dort gemeldet und er hatte sie angewiesen, für den Fall, dass etwas schiefgehen würde, in Bereitschaft zu bleiben.

            Luciano ließ seine Gedanken zurückschweifen. Mit seinem Vater Ursha hatte er, nachdem er zehn Jahre alt geworden war, oft Zeit in diesem Keller verbracht. Ursha hatte ihn nach und nach in alle Belange der Familie Barbileone eingeweiht und Luciano hatte voller Bewunderung erfahren, wie mächtig sein Vater war. Es kam ihm vor, als beherrsche dieser von hier die ganze Welt. Er lauschte endlosen Telefonaten und voller Hochachtung erlebte er, wie sein Vater Anweisungen erteilte und wie diese von den jeweiligen Gesprächspartnern ohne Widerspruch hingenommen wurden.

            Es gab nur zwei Gesprächspartner, die mit Ursha diskutieren durften. Der eine war der consigliere, den er auch einmal selbst kennengelernt hatte und der andere war sein Onkel Francesco Barbileone, der in einem Landhaus in Scillato in der Nähe von Palermo lebte. Auch ihn und das prächtige sizilianische Landhaus hatte Luciano einmal kennengelernt, als sein Vater ihn zum Weihnachtsfest der Familie mitgenommen hatte.

            An Lucianos 21. Geburtstag im Jahre 1973 hatte ihn Ursha mit sehr ernster Miene in den Keller gebeten und ihm dort eröffnet, dass er, Luciano, von nun an einen eigenen Geschäftszweig der Familie leiten sollte. Ursha übertrug ihm die Verantwortung für die Entsorgung der Abfälle aus den kalabrischen Farbwerken. Luciano wusste damals zwar schon, dass ein Teil dieser hochgiftigen Chemikalien hier in Wernborn, in der sogenannten «Hohl» entsorgt wurde, aber das ganze Ausmaß des gigantischen Netzwerkes, das die Familie Barbileone über ganz Europa gespannt hatte, war ihm bislang verborgen geblieben.

            Atemlos lauschte er den Erklärungen seines Vaters. Mit Hilfe großer Karten lernte Luciano, auf welchen Wegen der Giftmüll Kalabrien verließ, wo er umgeladen wurde, wo die anderen 79 Deponien gelegen und wer die verantwortlichen Leute waren. Als Ursha nach vier Stunden endete, war Luciano schier erschlagen von der Fülle der Informationen und er befürchtete insgeheim, dass er nie die Übersicht über dieses Imperium erlangen würde.

            Aber das Schwierigste hatte sich Ursha bis zum Schluss aufgehoben und zum ersten Mal erlebte Luciano, dass sein Vater müde wirkte.

            «Weißt Du, die Zeiten sind gerade dabei, sich zu ändern. Überall machen sie neue Müllgesetze, nicht nur hier sondern in ganz Europa. Sie fangen an, alles zu kontrollieren und wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Sieh nur zum Beispiel hier in Wernborn! Sie werden die Müllkippe schließen und nach Usingen verlagern. Sie werden jeden einzelnen Lkw erfassen, wiegen und seine Entladung überwachen. Sie werden Proben nehmen und sie in irgendwelche Labore schicken. Sie werden uns den Hals zuschnüren. Das ist nicht mehr meine Welt. Bisher konnte ich den Leuten noch die Augen zuschmieren. Sie und wir, alle haben davon profitiert. Ich will nicht sagen, dass das in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, aber es wird ungleich schwieriger werden.»

            Ursha hatte Luciano den Arm um die Schulter gelegt und sanft gedrückt, was Luciano sehr selten erlebt hatte.

            «Jetzt müsst Ihr Jungen die Verantwortung übernehmen. Ihr müsst neue Wege finden und neue Verbindungen knüpfen. Ich werde hier in Wernborn und in den anderen Deponien noch dafür sorgen können, dass alles zugeschüttet wird und dass vorerst niemand fragen wird, was da alles unter der Erde liegt. Aber eines ist sicher, Luciano, plane das bei allem was Du tust, immer mit ein: Eines Tages, vielleicht erst in einem Vierteljahrhundert, werden sie doch fragen und sie werden nachsehen wollen, welche Zeitbomben da unten lagern.»

            Luciano hatte damals bei der Vorstellung geschaudert, welche Verantwortung ihm da übertragen wurde. Mit seinen 21 Jahren hatte er keinerlei Vorstellung davon, wie er es schaffen sollte, das Erbe der Barbileones und letztlich deren finanzielles Wohlergehen in Zukunft zu sichern. Von diesem Tag an war für ihn dieser tiefe Keller in der Wernborner Sechs­häuser­gass ein ganz besonderer Ort. Er wusste, dass er von dort aus weiterhin die Verbindungen nach Sizilien aufrechterhalten würde, dass er von nun an die Telefonate mit dem consigliere und dem Onkel Francesco, dem Don, selbst führen würde. Von nun an war er nicht mehr nur der staunende Zuhörer und unbeteiligte Gast seines Vaters, von nun an war es an ihm, die Fäden des Imperiums einen nach dem anderem in die Hand zu nehmen und zu führen.

            Als die ihm übertragenen Aufgaben in den nächsten Jahren immer komplexer wurden und ohne moderne technische Hilfsmittel nicht mehr zu bewältigen waren, reifte in ihm schon der Plan für ein neues Firmenzentrum, aber es gelang ihm nicht, seinen Vater davon zu überzeugen.

            Ursha starb im Herbst 2007. Ein halbes Jahr später und nachdem auch Don Francesco seine Zustimmung erteilt hatte, besuchte Luciano die Eheleute Rossi und trug ihnen auf, sich um den Bau der Pferdepension, die später scuderia heißen würde, zu kümmern.

            Dennoch gab Luciano den für ihn so wichtigen Raum im Keller unter seinem Haus in Wernborn nicht auf. Nach wie vor liefen hier alle wichtigen Fäden zusammen, nach wie vor lenkte Luciano von hier aus die Geschäfte. Mittlerweile hatte auch hier die moderne Kommunikationstechnik Einzug gehalten und Luciano konnte hier wie in der scuderia in Sekundenschnelle über alle notwendigen Informationen verfügen und seine Anweisungen in alle Welt erteilen.

            Plötzlich wurde Luciano aus seinen Gedanken gerissen. Die Monitore vor ihm erwachten zum Leben. Die Infrarotkamera zeigte zuerst einen schwachen Lichtschein aus dem Obergeschoss des Hauses, in dem Stefan sich aufhielt. Kurz darauf war ein ebensolcher Schein aus dem Erdgeschoss zu sehen. Luciano war alarmiert und konzentriert starrte er auf die beiden Monitore. Nur eine Minute später erschien Stefan auf der Straße. Er blickte zur Kirche herüber, entflammte ein Streichholz und zündete sich eine Zigarette an. Nun wusste Luciano, dass etwas Unvorhergesehenes passiert war. Stefan verschwand wieder im Haus.

            Luciano folgerte blitzschnell. Das Licht im Obergeschoss konnte nur bedeuten, dass jemand im Haus erwacht war. Da Luciano wusste, dass dort lediglich eine alleinstehende Frau wohnte, konnte es sich nur um diese gehandelt haben. Das Licht war ins Erdgeschoss gewandert, also war die Frau die Treppe heruntergekommen. Dass kurz darauf Stefan mit dem verabredeten Zeichen Gefahr signalisiert hatte und wieder im Haus verschwunden war, konnte nur bedeuten, dass er und die Frau zusammengetroffen waren. Luciano brauchte nicht zu überlegen, was das für die Frau zu bedeuten hatte.

            Auf der Telefonanlage drückte er den Knopf, der in Sekundenschnelle eine Direktverbindung zum Haus von Sandro Borelli und Luca Capetti aufbaute. Luca meldete sich.
            «Pronto?»

            Lucianos Anweisung kam befehlsgewohnt und präzise:

            «Du und Sandro, nehmt Euch den weißen ‹Ducato› und fahrt sofort los. Haltet vor dem Haus in der Lindenstraße, in dem sich Stefan befindet, macht den Motor und das Licht aus. Ich werde dort sein und zusammen mit Stefan ein Paket hinten in das Auto legen. Fahrt noch diese Nacht nach Centinarola und morgen Abend erwarte ich Euch wieder hier.»

 

 

 

21.06.2016
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